Rede des Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2023

Volldampf Voraus! Oder genauer „der Kurs bleibt der alte – Volldampf Voraus! sagte einst Kaiser Wilhem II in einem Telegramm nach einem tragischen Schiffsunglück. Die Aussage ist bis heute ein Synonym für ein unbekümmertes Drauflosgehen.

Jetzt betreibt die Stadt Korschenbroich – noch – keine Flotte, das Ansinnen Kaiser Wilhelm II scheint daher weit weg. Was wir aber haben, ist Wasser und es wird mehr, zumindest wenn es nach der Meinung unserer Mehrheitsfraktionen geht. Ein neues Freibad respektive ein neuer Außenbereich für das Hallenbad soll her. Und das für viel Geld.

Es ist zuzugeben, es gibt kaum Schöneres als an einem warmen Sommernachmittag die Wolke der Gerüche in einem Freibad aufzunehmen. Eine Mischung aus Frittenfett und dem Geruch von Schwimmbadwasser, das auf den heißen Waschbetonplatten verdunstet.

Für viele sind es wahrscheinlich romantische Erinnerungen aus der Kindheit. Schließlich gab es in Korschenbroich schon einmal ein Außengelände am Hallensportzentrum. Nachdem das Hallensportzentrum im Jahr 1973, übrigens ein Jahr nach Eröffnung des Kleinenbroicher Hallenbades das zwischenzeitlich auch schon wieder Geschichte ist, eröffnet wurde, folgte im Jahr 1974 das neue Außengelände. Die entsprechenden Anlagen wurden Jahre später wegen der immensen Kosten demontiert und das Becken zugeschüttet.

Aber schieben wir unsere Kindheitserinnerungen aber mal zur Seite, in Geldsachen hört bekanntlich die Gemütlichkeit auf.

Nach Auffassung der den Ausbau tragenden Fraktionen der CDU und der SPD soll durch den Ausbau die Attraktivität des Schwimmbades gesteigert werden,

Diese Idee hatten schon viele Kommunen, deren Schwimmbäder aus den 60er oder 70er-Jahren zwischenzeitlich Staub angesetzt hatten.

Der Bund der Steuerzahler schreibt hierzu:
Kommunen suchen ihr Heil in kostenintensiven Badmodernisierungen um mit neuen Attraktionen den Erwartungen der Besucher gerecht zu werden sowie rückläufigen Besucherzahlen entgegenzuwirken…. Dies verschärft die finanzielle Belastung des Kommunalhaushalts oder kann unter Umständen sogar in einer Erhöhung der Hebesätze der kommunalen Grund- und Gewerbesteuer münden, um die zusätzlichen Belastungen abzufangen.“

Man könnte auch einfach mit einer Kosten-Nutzenrechnung anfangen. Allerdings sind Schwimmbäder als städtische Einrichtung fast nie kostendeckend, schließlich wird damit auch eine staatliche Aufgabe erfüllt, wir denken zum Beispiel an das Schulschwimmen. Wegschauen sollten wir trotzdem nicht, immerhin ist von schlauen Menschen ermittelt worden, dass städtische Schwimmbäder lediglich einen Kostendeckungsgrad von rd. 40 % erreichen. Nur jedes 5. Schwimmbad kann seine Kosten zur Hälfte decken. Die Mehrzahl kann seine Kosten nur zu einem Drittel selbst erwirtschaften.

Das wird in Korschenbroich nicht besser sein. Die – finanzielle – Erfahrung der letzten Jahrzehnte mit den ehemaligen Hallenbädern in Glehn und Kleinenbroich und das aufgegebene Außengelände in Korschenbroich sind augenscheinlich nicht Lehre genug. Man will es in Korschenbroich auch besonders gut machen – so soll z.B. ein wartungsfreies Edelstahlbecken montiert werden, Deswegen noch ein kurzer Blick zu unseren Nachbarn nach Kaarst: Das dortige Hallenbad stammt aus den siebziger Jahren. Von 1994 bis 2000 war es ganz geschlossen, weil das Becken Risse hatte. Als ultimative Lösung der Probleme wurde am Ende ein Edelstahlbecken eingebaut. Dieses war entgegen der Erwartung aber auch mehrfach undicht. So kam Reparatur an Reparatur und die Kosten stiegen und stiegen. Das muss natürlich in Korschenbroich nicht auch so sein.

Deswegen gehe ich an die Frage mal ganz nüchtern heran und frage : Was kostet uns der neue Außenbereich und ist es uns das wert?

Über die Anschaffungskosten ist schon viel geredet worden. Ohne dies an dieser Stelle im Detail darzustellen nur noch einmal kurz das Wesentliche:

Gestartet waren wir Ende 2018 mit einer Machbarkeitsstudie, die von Kosten in Höhe von rund 1 Mio. EUR ausging. Davon ging der erwartete Zuschuss des Bundes in Höhe von 900.000 EUR ab, so dass ein „Eigenanteil“ von 100.000 EUR verblieb. Kurz darauf stiegen die Plankosten schon auf 1,3 Mio. EUR und im Jahr 2021 bereits auf knapp über 2 Mio. EUR – bei einem unveränderten Zuschuss des Bundes von 900.000 EUR. Nunmehr liegen die Plankosten schon bei 2,6 Mio. EUR und die Stadt selbst rechnet „worst case“ mit 3,4 Mio. EUR. Wobei offenbleibt, was „worst case“ bedeutet, denn eine Ausschreibung hat noch nicht stattgefunden. Aus einem städtischen Anteil von 100.000 EUR werden so etwa 2,5 Mio. EUR mithin eine Steigerung um 2.400 Prozent. Das ist mal ein Wort.

Viel interessanter und unter NKF letztlich auch maßgebend sind aber die jährlichen Kosten, die uns die neuen Außenanlagen bereiten werden.

Größter Posten sind da sicherlich die jährlichen Abschreibungen. Nach den amtlichen Abschreibungstabellen rechnet man dabei mit 5 % pro Jahr, mithin 125.000 EUR. Dazu kommt die Bauunterhaltung von – durchschnittlich – 30.000 EUR, die Personalkosten von 40.000 EUR, die Energiekosten (trotz BHKW) von 30.000 EUR und diverse kleiner Positionen wie die Kosten für das Wasser, ein ggf. erforderlicher Sicherheitsdienst, Reinigungskosten usw. usw. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang, dass wir den Bau natürlich mit Investitionskrediten finanzieren werden. Bei dem aktuellen Zinssatz von 3,5 % sind dies runde 90.000 EUR/Jahr. In der Summe kommen wir damit auf Gesamtkosten von rd. 320.000 EUR pro Jahr. Es mögen 20.000 EUR mehr oder weniger sein.

Dem stehen natürlich die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern gegenüber. Freibäder öffnen üblicherweise Mitte/Ende Mai und schließen Anfang September. Also runde 100 Öffnungstage. Jetzt sind wir mal optimistisch und rechnen an jedem Tag – Regentage mit eingerechnet – im Schnitt mit 100 zahlenden Besuchern. Bei im Schnitt 2 EUR je Besuch kommen wir so – unter sicherlich positiven Annahmen – bei insgesamt 10.000 Besucherinnen und Besuchern auf jährliche Einnahmen von 20.000 EUR.

Ergebnis: Wir erwirtschaften mit dem Freibad einen jährlichen Verlust von 300.000 EUR.

Anders herum: Jeder einzelne Besuch des Freibades wird von der Stadt mit gut 30 EUR subventioniert.

Meine Damen und Herren, was sind schon 30 EUR?!

Vor wenigen Monaten wurde von der Bundesregierung ein „Doppelwumms“-Paket in Höhe von 200 Milliarden EUR beschlossen. 30 EUR sind Null Komma Null Null Null Null Null Null Null (sieben Nullen rechts vom Komma) 15 Prozent davon. Das ist nicht viel, bei Lichte besehen sogar fast nichts.

Demgegenüber hat unser Bürgermeister bei dem Festakt zum 100jährigen Bestehen der St. Donatus Bruderschaft in Pesch einen anderen Vergleich gezogen. Er hat in seiner – sehr schönen – Rede die Bierpreise der Jahre 2022 und 1921 verglichen. Nehmen wir den heutigen Bierpreis von 2,20 EUR /Glas als Maßstab, sind wir schon bei 13 Glas Bier, die die Stadt rechnerisch jedem Besucher des Freibades schenkt.

30 EUR kann man natürlich auch noch anders einsortieren. Schließlich kann man mit 30 EUR auch Taxi fahren. So kann man sich für 12,50 EUR von der Sebastianusstraße zum Volksbad in Mönchengladbach fahren lassen. Jeden einzelnen Besucher könnten wir also auf Kosten der Stadt zum Volksbad nach Mönchengladbach fahren lassen und zurück. Und da wir noch einen Rest übrighaben, könnten wir diesen den Eintritt gleich auch noch bezahlen und wir würden immer noch besser dastehen als mit dem neuen Freibad.

Um es nochmal zu wiederholen: Es wäre billiger für die Stadt, die Besucher des Freibades mit dem Taxi auf Kosten der Stadt zum Volksbad nach Mönchengladbach fahren zu lassen, als selber den geplanten Außenbereich zu bauen und zu betreiben. Das muss man wirklich wollen.

Uns das sind auch nur die direkten Aufwände, die der Stadt entstehen. In den Planungsausschüssen die letzten Monate war regelmäßig zu hören, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den für die Planung zuständigen Bereichen der Stadtverwaltung überlastet sein und aus diesem Grund Vorhaben zum Teil nicht zeitgerecht umgesetzt werden können – zumindest dann, wenn es nicht um den Maarweg geht. Diese Überlast resultiert natürlich auch zu einem guten Teil aus den Planungsprozessen für den Ausbau des Schwimmbades.

Meine Damen und Herren – wie geht es weiter?

Es ist schon angekündigt worden, dass Korschenbroich im Jahr 2024 seine Ausgleichsrücklage aufgezehrt haben wird. Folge wird eine Erhöhung der Grundsteuer sein. Am Ende werden daher – wir erinnern uns an die Aussage des Bundes der Steuerzahler vom Anfang dieser Rede– die Korschenbroicher Bürgerinnen und Bürger das Schwimmbecken über eine Erhöhung der Grundsteuer bezahlen. Einfach gerechnet: 300.000 EUR verteilt auf rund 10.000 Grundeigentümer sind wieder die bekannten 30 EUR pro Jahr für jeden Grundstückseigentümer. Ich will mich nicht wiederholen – was man mit den 30 EUR sonst noch machen könnte, haben wir ja jetzt gelernt.


Die Aktive lehnt den Haushalt 2022 ab.