Die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden

Rede zum Haushalt 2022 der Stadt Korschenbroich im Rat der Stadt am 25. November 2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Gäste,

sehr geehrte Damen und Herren,

„Respekt für Dich“ – um wieder mit einem schwungvollen Zitat eines weltbekannten Philosophen, Wissenschaftlers oder Politikers zu beginnen. Diesmal ist es der bekannte Spruch des kommenden Bundeskanzlers und Kanzlerkandidaten der SPD im diesjährigen Bundestagswahlkampf, Herrn Olaf Scholz. Sie konnten es auf vielen Plakaten – auch sogar hier in Korschenbroich – lesen.

Offenkundig haben Herr Scholz und die SPD mit dieser Aussage den Nerv der Zeit getroffen, zumindest lässt uns dies das Wahlergebnis vermuten.

Dabei ist dieser Spruch – sprachlich betrachtet-  natürlich Unsinn. Respekt hat man vor jemanden, nicht für ihn. Sei´s drum. Im Kern geht es darum, den Menschen Achtung und Beachtung entgegenzubringen. Dies gilt natürlich auch für alle Menschen in Korschenbroich und natürlich auch beim Thema Haushalt.

Bislang ist es in Korschenbroich leider so, dass die Meinung der Bürgerinnen und Bürger in Sachen Haushalt nicht gefragt ist. Ansätze und Anträge in Richtung Bürgerhaushalt, die in der weiteren Vergangenheit gemacht wurden, versickerten regelmäßig. Auch in den diesjährigen Haushaltsberatungen wurde unser Vorschlag, eine Bürgerbeteiligung zumindest im kleinsten Maßstab orientiert an der Stadt Kaarst einzuführen, mehrheitlich abgelehnt. Als Grund wurde benannt, dass der Haushalt dann zeitlich früher, und damit auf einer „unsicheren Datenbasis“ eingebracht werden müsste. Ein möglicher Grund dafür ist aber vermutlich auch die Sorge, dass sich dann ohnehin nur die Personen beteiligen würden, die ohnehin regelmäßig ihre Ansichten und Meinungen einbringen.

Jetzt hat es in den letzten beiden Jahren aber einen Prozess gegeben, der uns etwas anderes bewiesen hat. Ich rede hier über den Werkstattprozess zur Stadtentwicklung. An sich auch ein eher sperriges Thema. Trotzdem hatten wir gut gefüllte Bürgerversammlungen und mehrere hundert Beteiligte in dem Online-Prozess. Das heißt für mich: Die Bürger sind da, sie wollen sich beteiligen und sie wollen gehört werden. Werden sie in Korschenbroich in Sachen Haushalt aber nicht. Selbst unser kleiner und überschaubarer Antrag zum Thema Bürgerbeteiligung wurde vor einer Woche von der Mehrheit abgelehnt.

Das ist aber nicht überall so. Ich habe mal zwei Beispiele anderer Städte herausgesucht, die es anders machen:

Das schöne Trier an der Mosel, geleitet von einem der SPD angehörigen Oberbürgermeister, gibt das Beispiel für eine größere Stadt.

Trier hat die Besonderheit, dass es regelmäßig Doppelhaushalte aufstellt, das tut dem Vergleich aber keinen Abbruch.

Das ganze Verfahren für den Doppelhaushalt 2022/2023 startete mit der Vorlage des Entwurfes der Haushaltssatzung am 12. Juli dieses Jahrs. Gleichzeitig mit diesem Entwurf wurden weitere Unterlagen wie eine Liste freiwilliger Leistungen, Stellenplanveränderungen etc. vorgelegt. Ab dem 1. September durften dann alle Einwohner der Stadt in einem moderierten Online-Verfahren Vorschläge zum Doppelhaushalt einreichen. Die Vorschläge können sich explizit auf den Haushalt beziehen, man kann aber auch eigene Vorschläge machen Dabei konnten die Bürger auch Vorschläge speziell für ihren Ortsteil eingeben und kommentieren.

Vom 27. September bis zum 10. Oktober durften die Bürgerinnen und Bürger die eingereichten Vorschläge dann online bewerten. Das Ergebnis der Bewertung (also das Ranking) ist wiederum für alle auf der Online-Plattform einsehbar.

Stellt sich die Frage: Was ist denn dabei herausgekommen? Ein kurzer Blick auf die TOP 10 der Bewertungsliste: Die Bandbreite geht von einer Fußgängerbrücke, Online-Lösungen für die Stadtverwaltung über neue Fahrradwege und Fahrradabstellflächen bis zur klimafreundlichen Stadt. Alles Vorschläge, die realitätsnah und umsetzbar sind.

Die 30 bestbewerteten Vorschläge werden dann von der Verwaltung geprüft und schließlich dem Rat zur Entscheidung vorgelegt. Diese Entscheidung wird voraussichtlich noch im Dezember getroffen werden.

Jetzt kann man – vielleicht sogar berechtigterweise – sagen: Trier ist eine große Stadt und die können sich so ein Verfahren auch leisten. Stimmt. Aber nur halb. Natürlich kostet das Ganze Geld. Der angesprochene relativ aufwändige Werkstattprozess zur Stadtplanung hat aber auch Geld gekostet und da war das Geld da. Und es geht auch eine Nummer kleiner. Die zeigt das Beispiel der Stadt Riesa, bekanntlich eine Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern unter Leitung eines CDU-Bürgermeisters. Das Verfahren dort ist wesentlich weniger aufwändig als in Trier. In Riesa dürfen die Bürgerinnen und Bürger innerhalb eines festgelegten Zeitraumes über ein Kontaktformular Vorschläge einreichen, die bestimmte Kriterien erfüllen, z.B. soll die Vorschläge allen Bürgern zugutekommen, sie müssen innerhalb eines Jahres umsetzbar sein und möglichst keine Folgekosten verursachen. Im Anschluss prüft eine vom Rat eingesetzte Arbeitsgruppe die eingereichten Vorschläge und entscheidet über die Umsetzung. Jetzt fehlt in dieser Entscheidungskette der Stadtrat, dieser hatte aber schon im Vorfeld ein entsprechendes Budget für den Bürgerhaushalt freigegeben. Im Jahr 2021 waren dies 20.000 EUR und im Jahr 2022 schon 50.000 EUR. Insgesamt wurden 66 Vorschläge eingereicht von denen 13 Vorhaben ausgewählt wurden. Um die Quote der umgesetzten Maßnahmen zu erhöhen, überlegt man auch, den Bürgerhaushalt jährlich thematisch etwas einzugrenzen – so wie wir dies auch in Korschenbroich für den Heimatpreis machen.

Man sieht also: Es geht. Im Kleinen wie im Großen gibt es gute Ideen für einen Bürgerhaushalt, der von den Bürgerinnen und Bürgern auch angenommen wird. Man muss es nur wollen und am Ende die Entscheidung der Bürgerschaft auch respektieren. Womit wir wieder beim Thema wären.

Respekt. Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Ernst nehmen und Zuhören. Das wollen wir hoffentlich alle. Das gilt aber natürlich nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, sondern das gilt auch für uns als Stadtrat. Da bin ich – und ich rede jetzt nur über das Thema Haushalt – nicht zufrieden. Ende Oktober wurde der Haushalt vom Bürgermeister in den Rat eingebracht, Mitte November wurde er im Hauptausschuss beraten. Das ist nicht viel Zeit. Zumal es auch anders geht. Das Beispiel Trier hatten wir eben schon. Dort wurde der Doppelhaushalt 2022/2023 schon im Juli eingebracht. So weit müssen wir aber auch nicht schauen: In Kaarst wurde der Haushalt 2022 am 16. September in den Rat eingebracht. Mithin als knapp 6 Wochen früher als in Korschenbroich. In Neuss am 17. September, in Jüchen am 7. Oktober. Alles Städte aus dem Rhein-Kreis-Neuss. Um auf Kaarst zurückzukommen: Ich kann nicht beurteilen, wie intensiv die Kollegen in Kaarst den Haushalt bearbeiten, Zeit haben sie zumindest dafür. Vielleicht brauchen sie die Zeit auch, denn in Kaarst hat die Verwaltung dem Rat 323 Sparmaßnahmen vorgeschlagen. Dies sogar schon im August, damit die Faktionen hinreichend Zeit haben, die Maßnahmen zu priorisieren und zu bewerten. Auch hier möchte ich kein Urteil über die vorgelegten Maßnahmen abgeben aber immerhin legt die Verwaltung dem Rat etwas vor.

Anders in Korschenbroich. Hier sieht man sich der Verwaltung nicht in der Pflicht, Sparvorschläge einzureichen. Warum auch? Schuld für die schlechte Situation ist sowieso die gesamtwirtschaftliche Lage, der Bund, das Land, der Kreis mit seinen Umlagen oder sonst wer, nur die Verwaltung und die sie tragende politische Mehrheit sind es nicht.

Und weil man sich so schön in und mit dieser Begründung eingerichtet hat, versucht man schon nicht mehr, neue Sparbemühungen voranzubringen.

Früher, meine verehrten Damen und Herren – und ich wiederhole jetzt einen Gedanken aus meiner letztjährigen Rede – war das Ziel, möglichst wenig Schulden zu machen. Heute fordert man, dass man mehr Schulden machen darf und man ist froh und dankbar, dass man Schulden über die Corona-Sonderregelung isolieren darf. So ändern sich die Zeiten.

Das zeigt für mich, dass man den Respekt gegenüber den kommenden Generationen verloren hat. Denn diese werden die Schulden, die wir heute machen, irgendwann zurückzahlen müssen.

Die Aktive lehnt den Haushalt 2022 ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!